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Potsdamer Neueste Nachrichten - 27/05/2014
Es geht auch ohne Pink und Glitzer Ugo Dehaes „Girls“
 
Nichts hätte weniger girly sein können. Kein Pink und kein Glitzer, kein mädchenhaftes Gekicher. Nur die Blümchenkleider, die so gut zu den zarten Körpern passten, gaben einen Hinweis darauf, welch junge Tänzerinnen die Atmosphäre im Saal der „fabrik“ vor Kraft, Intensität und Ausstrahlung nur so pulsieren ließen. Die Produktion „Girls“ der belgischen Compagnie Fabuleus und des Choreografen Ugo Dehaes, die am vergangenen Sonntag und gestrigen Montag im Rahmen der Tanztage zu sehen war, bricht mit den Klischees und bringt das Mädchensein in seiner reinsten Natur zum Ausdruck.
 
In ihren Blümchenkleidern liefen die sieben Mädchen auf die Bühne und blieben einen Moment stehen. Doch gleich zerstörten sie dieses zarte, klischeehafte Mädchenbild mit einem Ausbruch animalischer Kraft zwischen Kampfkunst und Tanz. Die harten Gebärden füllten den ganzen Körper mit Energie. Eine Kraft, die für die Zartheit der Tänzerinnen noch viel zu groß zu sein schien und die man immer noch eher mit Jungs als mit Mädchen in Verbindung bringt. Sie strömte aus ihnen heraus und packte selbst das Publikum, das fast mitgerissen wurde von dem wilden Treiben auf der Bühne. Denn wild ging es ständig zu, wenn die Mädchen im Alter zwischen 11 und 15 Jahren in scheinbar heillosem Durcheinander Schläge in die Luft austeilten oder kraftvoll um sich traten. Nur gelegentlich fielen ein oder zwei Tänzerinnen zurück in mädchenhafte Klischees, tanzten und sangen auf der Bühne mit zarten Stimmchen und hüpfenden oder swingartigen Bewegungen, die an Tänzerinnen der 20er-Jahre erinnerten. Doch auch wenn jede Einzelne wie in einem eigenen, spontanen Bewegungsrhythmus wirkte, war das Zusammenspiel der sieben Tänzerinnen perfekt aufeinander abgestimmt.
 
Unterstrichen wurde dieses gemeinsame Sein durch die Atmung der Tänzerinnen. Ohne Musik war dies der einzig hörbare Rhythmus, der eine beinahe hypnotische Wirkung auf den Zuschauer ausübte. So atmete man schneller, wenn auf der Bühne mit Hyperventilation der schnelle Takt angestimmt wurde und hielt gleichfalls den Atem an, wenn der kollektive Atem der Mädchen stockte. Aus schnellen Panikatmungen, langgezogenem Keuchen und reizenden Seufzern, die fast wie eine Brise durch den Saal wehten, entwickelte sich eine Klangwelt, die Musik völlig überflüssig machte. Die Tänzerinnen selbst gestalteten ihren Rhythmus. Ugo Dehaes weckte in seiner Choreografie das Ursprüngliche der Mädchen, ließ ihnen freien Lauf auf der Bühne und gab ihnen die harte und kraftvolle Natürlichkeit, die auch in ihnen steckt. Und das völlig ohne Pink und Glitzer. Chantal Willers 

Die Potsdamer Tanztage finden noch bis zum 1. Juni in der „fabrik“, Schiffbauergasse 10, statt. Das Programm finden Sie unter www.fabrikpotsdam.de

- Chantal Willers

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